Kategorie: Architekt

Teil 3: Die beiden Seiten des Mammons

Nun kommen wir zum dritten und letzten Teil meiner Blogserie. Das Thema heißt „Mammon“. Einige kennen vielleicht den Ausdruck „schnöder Mammon“.

Mammon ist ein Ausdruck der Bibel. Im Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 24 (LU17) sagt Jesus die bekannten Worte:

Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Was also ist Mammon?

In Wikipedia lese ich (aufgerufen am 06.10.2024):

Mammon ist ein aus dem Aramäischen entlehnter Begriff, der ursprünglich „Besitz“ oder „Vermögen“ bedeutet. Das Wort wird in der Bibel von Jesus Christus verwendet und wird dort unter dem Aspekt der Unwahrheit und Lüge betrachtet. Heute wird mit dem Begriff abschätzig das Geld im Allgemeinen bezeichnet („schnöder Mammon“), da es zum Herrscher über die Menschen wurde.

Martin Luther übersetzte das Wort nicht und so gelangte es als „Mammon“ ab dem 16. Jahrhundert ins Deutsche. Daraus resultierte, dass Mammon in Volksglauben und der Literatur als personifizierter Reichtum zu einem Dämon wurde, der den Menschen zu Geiz und Habgier verführt.

Zusammengefasst:

  1. Der Begriff Mammon ist über die Bibel in unseren Sprachgebrauch gekommen. Und das nicht nur in der deutschen Sprache.
  2. Mammon bedeutet: Geld, Vermögen, Besitz.

Bibel und Geld? Kann das sein? Ja, und zwar sehr häufig! Auf der Seite bibelfinanz.de (aufgerufen am 07.10.2024) habe ich folgende Angaben gefunden: Es gibt 2.350 Bibelverse über einen gerechten Umgang mit Geld, 2.084 Verse im Neuen Testament über Finanzen und Haushalterschaft. Darüber hinaus spricht Jesus in 16 der insgesamt 38 Gleichnisse von Finanzen. Ich habe es zwar nicht nachgezählt, doch beim Studium der Bibel stoße ich immer wieder auf Bibelstellen, die vom Umgang mit Besitz und Geld handeln. Es ist für Gott anschienend ein wichtiges Thema.

In unserem Sprachgebrauch ist „Mammon“ negativ besetzt, was durch den gebräuchlichen Ausdruck „schnöder Mammon“ noch betont wird. Die Bedeutung „schnöde“ wird im Duden (aufgesucht am 07.10.2024) beschrieben mit: nichtswürdig, erbärmlich, verachtenswert.

Der Begriff Mammon kommt im Neuen Testament an zwei Stellen vor; im oben zitierten Vers im Matthäusevangelium und im Gleichnis Vom ungerechten Verwalter im 16. Kapitel des Lukasevangeliums. In diesem Gleichnis verwendet Jesus den Begriff dreimal und zweimal mit dem Adjektiv „ungerecht“.

Ist Vermögen per se, aus sich heraus, negativ? Weit gefehlt. Es kommt darauf an, was man damit macht! Wie – fast – alle Dinge gibt es auch bei Geld und Vermögen eine positive und eine negative Seite.

Die positive Seite ist, mit meinem Geld kann ich Gutes tun und anderen Menschen helfen.

Deutsche sind dafür bekannt, dass sie viel spenden. Trotz Rückgang haben im Jahr 2023 immer noch ca. 17 Millionen Menschen insgesamt rund 5 Milliarden Euro gespendet (Quelle: Deutscher Spendenrat e.V., aufgerufen am 07.10.2024). Das hört sich viel an, doch dieser Betrag ist gerade einmal 1,15 Promille des Bruttonationaleinkommens.

Spendeneinnahmen in Deutschland 2005 bis 2023 (Quelle: Deutscher Spendenrat e.V.)

Deutschland hat 2023 ärmere Länder mit rund 33,9 Milliarden Euro unterstützt. Auch diese ist eine große Summe, doch im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen sind dies lediglich 0,79 % . (Quelle: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, aufgerufen am 07.10.2024)

Jesus sagt uns in dem Gleichnis Vom ungerechten Verwalter (Lukas Kapitel 16,  Vers 9):

Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten. (LU17)

Nutzt das Geld, an dem so viel Unrecht haftet, um euch Freunde zu machen! Dann werdet ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen, wenn diese Welt zu Ende geht. (BasisBibel)

Mit dem Mammon, der die Gefahr in sich birgt, ungerecht zu sein, können wir positives bewirken und anderen Menschen helfen und sie zu Freunden machen. An anderer Stelle (Matthäus, Kapitel 6, Verse 19 bis 21) rät uns Jesus:

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. (LU17)

Häuft keine Schätze auf der Erde an. Hier werden Motten und Rost sie zerfressen und Diebe einbrechen und sie stehlen. Häuft euch vielmehr Schätze im Himmel an. Dort werden weder Motten noch Rost sie zerfressen und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. (BasisBibel)

Unser kleiner Verein Lumière-Cameroun unterstütze vor allem Frauen in Nordkamerun. Es mag ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Doch es berührt mich immer wieder zu erleben, wie wir einzelnen Menschen dort im fernen und doch so nahmen Herzen Afrikas helfen können, ihr Leben zu meistern.

Fazit: Lasst uns mit unserem Geld Gutes tun!

Muss ich noch die negativen Seiten des „schnöden Mammon“ darstellen? Ich glaube nicht. Die kennen wir alle nur zu gut. Habgier! Neid!

Jesus stellt uns die Frage: Wem dienen wir? Gott? Mammon? Beides geht nicht. Wir müssen uns entscheiden!

In der Einführung zu dieser Blogserie habe ich die Frage gestellt, was Bürokratie und DIN-Normen mit Mammon zu tun haben.

Wie in den einzelnen Beiträgen dargestellt haben sowohl Bürokratie als auch Normen durchaus positive Seiten. Im guten Sinn soll die Bürokratie unser Zusammenleben regeln und die Normen sollen es einfacher machen.

Im Bereich der Normen grätscht der schnöde Mammon hinein und spielt faul. Wie in der SWR-Dokumentation Viele Normen, Teure Wohnungen? – Vom Bürokratiewahnsinn im Wohnungsbau anschaulich dargestellt, versucht Mammon Normen derart zu manipulieren, dass die Gewinne einiger Mitglieder steigen.

Wie sieht das bei der Bürokratie aus? Hier versuchen einige Lobbyisten Entscheidungsträger in der Politik so zu beeinflussen, dass Gesetze und Verordnungen so geändert werden, dass die Gewinne maximiert werden. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Lobbyisten eher mehr statt weniger erfolgreich agieren. Auch über dieses Thema gibt es eine interessante Dokumentation dieses Mal vom ZDF: Regiert von der Autolobby? Deutschlands Autoindustrie und ihre Politik.

 

 

 

Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass ich dagegen bin, dass die Wirtschaft Gewinne macht oder gegen derden Beteiligung bei Normen oder Gesetzgebung. Hier ist sehr viel Wissen vorhanden und es wäre fahrlässig und widersinnig, dieses nicht in Normen oder Gesetzgebung einfließen zu lassen. Alles hat seine beiden Seiten. Die Folge daraus ist:

Wir brauchen Sinnmaximierung statt Gewinnmaximierung.

Doch solange bei der Wirtschaft mehrheitlich die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, muss man ihr auf die Finger schauen und falls erforderlich auch hauen, um das Wohl der Allgemeinheit zu schützen. Bei dem DIN dürfen die Vertreter der Wirtschaft nicht den Inhalt der Normen bestimmen. Von unseren Politikern erwarte ich, dass sie sich nicht dem Diktat irgendeiner und sei sie noch so mächtigen Lobby unterwirft, sondern dem Gemeinwohl dient.

Das Eigentum ist gemäß Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt. Doch im Absatz 2 lesen wir auch: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Mancher mag denken: „Der ist aber naiv!“ Meine Antwort: Ich bin Realist. Solange Mammon regiert, wird sich an der jetzigen Situation nichts oder nur wenig ändern. Nur wenn wir umkehren und Gott dienen, hat die Sinnmaximierung eine Chance. Jesus spricht (Matthäus, Kapitel 25, Vers 40):

Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt – und wenn sie noch so unbedeutend sind –, das habt ihr für mich getan. (BasisBibel)

I have a dream – Ich habe einen Traum:

Alle Gesetze, Verordnungen und Normen werden auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft. Nur diejenigen, die für das Zusammenleben sinnvoll sind, die nach dem Grundgesetz „dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, sollen bestehen bleiben.

Doch wälzen wir das Thema nicht auf „die da oben“ ab. Beginnen wir selbst in unseren Möglichkeiten Schritt für Schritt wegzukommen von der Gewinn- hin zur Sinnmaximierung.

Mein Traum ist nicht nur Utopie. Anfänge gibt es schon. Schaut Euch die WDR-Dokumentation Sinn-Maximierung statt Gewinn-Maximierung an.

Teil 2: Die beiden Seiten der DIN-Normen

Jetzt schauen wir uns die beiden Seiten der DIN-Normen an.

Am Rande sei erwähnt, dass es noch andere Regeln in der Bauwirtschaft gibt: VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.), VDI (Verein Deutscher Ingenieure e.V.), DVGW (Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.), ZVSHK (Zentralverband Sanitär Heizung Klima e.V.) und weitere. Ich habe hierzu nicht weiter recherchiert, doch ich kann mir vorstellen, dass die folgenden Aussagen zu DIN auch auf diese Regeln und Organisationen zutreffen.

Klar haben DIN-Normen eine gute Seite. Bei meiner Recherche bin ich auf die Internetseite schrauben-lexikon.de gestoßen. Hier habe ich eine einleuchtende Erklärung über den „Sinn der Normung“ gefunden (aufgerufen am 24.09.2024):

Der Vorteil von Normung als Form der Standardisierung liegt in der einfacheren Arbeit mit genormten Bauteilen, da diese untereinander austauschbar sind. Dazu ist es notwendig, dass die grundlegenden Eigenschaften von Normteilen von einer Zentralstelle festgelegt und von Herstellern und Handel verwendet werden.

Beispiel Papierformat: Die DIN 476 regelt, dass ein DIN-A4-Blatt 210 x 297 mm groß sein muss. Es ist doch schön, dass mein DIN A4 Papier in alle Drucker passt, die dieses Format unterstützen.

Beispiel Schrauben: Ich habe zu Hause eine Gewindeschraube M12 und muss eine passende Mutter dazu kaufen. Es reicht, dass ich die Bezeichnung M12 kenne, denn ich weiß, dass sie auf die Schraube zu Hause passt.

Im Bauwesen regeln die Normen unter anderem, dass die Gebäude – oder Brücken – nicht einstürzen, dass sie nicht viel Energie verbrauchen, dass sie sicher sind, dass Brand- und Lärmschutz eingehalten werden und und und … Das ist doch gut und sinnvoll. Oder?

Die andere Seite der Medaille: Als Architekt muss ich sowie die anderen Fachplaner und die ausführenden Firmen etwas 3.900 Normen eingehalten. Tendenz steigend. Vor 5 Jahren waren es noch rund 180 Normen weniger (Quelle DIN, aufgerufen am 24.09.2024). Nicht nur, dass die Zahl der Normen ständig zunimmt, sie werden auch laufend geändert. Es ist meines Erachtens unmöglich, den Überblick zu behalten. Ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland kein Gebäude gibt, das ALLE Bauvorschriften und Normen einhält.

Wer zurzeit baut, stöhnt über die enorm gestiegenen Bau- und Immobilienpreise. Die Überregulierung wird sehr häufig als Ursache genannt. Dass diese Aussage stimmt, kann ich als Baufachmann nur bestätigen.

1960 betrug die statische Berechnung für ein Einfamilienwohnhaus nur ca. 10 Seiten, mit der Schreibmaschine getippt oder sogar handschriftlich geschrieben. Das einzige Hilfsmittel war ein Taschenrechner oder vielleicht nicht einmal das. Damals waren die Stahlbetondecken 14 bis 16 cm stark.

Heute im Zeitalter von Computer und modernen Rechenverfahren umfasst die Statik für ein ähnliches Haus über 100 Seiten und mehr. Man könnte erwarten, dass durch die genaueren Rechenverfahren die Bauteildicken optimiert werden. Weit gefehlt! Selbst bei geringen Spannweiten müssen heute die Decken mindestens 20 cm dick sein. Ich frage mich, wieviel Häuser sind seit 1960 eingestürzt, dass die Decken dicker werden müssen?

In Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung e.V. DIN für die Normung verantwortlich.

Das Deutsche Institut für Normung ist ein eingetragener Verein, wird privatwirtschaftlich getragen und bei seinen europäischen und internationalen Normungsaktivitäten von der Bundesrepublik Deutschland als einzige nationale Normungsorganisation unterstützt. Es bietet den sogenannten „interessierten Kreisen“ (Hersteller, Handel, Industrie, Wissenschaft, Verbraucher, Prüfinstitute und Behörden) ein Forum, im Konsensverfahren Normen zu erarbeiten. Der interessierte Kreis der Verbraucher wird durch den Verbraucherrat des DIN vertreten.

Quelle Wikipedia, aufgerufen am 28.09.2024, Hervorhebung durch den Autor

Das DIN ist also wie der Sportverein, Kaninchenzüchterverein oder Kleingartenverein als gemeinnütziger Verein organisiert und privatwirtschaftlich getragen. Und wie jeder Verein hat das DIN Mitglieder. Auf der Startseite der DIN-Webseite wird wie folgt um eine Mitgliedschaft geworben (aufgesucht am 24.09.2024): „Eine Mitgliedschaft lohnt sich: Als DIN-Mitglied nehmen Sie Einfluss auf normungspolitische Entscheidungen und profitieren von finanziellen Vorteilen.“ Ich frage mich, was das mit Gemeinnützigkeit zu tun hat.

Mitglied können Unternehmen und Institutionen, Verbände und Kammer, Start-ups und Hochschulen werden. 2024 beträgt der jährliche Beitrag z.B. für ein Unternehmen mit 10 Mitarbeitern 387,60 €, mit 100 Mitarbeitern 765,00 €. Für die Mitarbeit in einem Normenausschuss bekommt man weder Geld noch Aufwandsentschädigung noch Reisekosten. Man muss sogar dafür bezahlen, wenn man eine Norm „mitgestalten“ will: Für 1 bis 2 Sitze kostet dies jährlich 1.320,00 € (Quelle DIN, aufgerufen am 28.09.2024).

Ich frage mich, wer kann sich überhaupt leisten, an einer DIN-Norm mitzuwirken? Die Antwort gibt der DIN selbst. Derjenige, der davon finanziell profitiert (siehe oben). Wie der SWR recherchiert hat (siehe unten) sind die Mitarbeiter aus Unternehmen und Verbänden (Lobby) zumindest in einigen Normenausschüssen überrepräsentiert. In dieser Frage ist das DIN sehr intransparent.

Zur Rolle es DIN gibt es eine sehr gute Dokumentation des SWR: Viele Normen, Teure Wohnungen? – Vom Bürokratiewahnsinn im Wohnungsbau. Schaut euch das 45-minütige Video auf YouTube an. In der der Beschreibung wird die Problematik näher erläutert (aufgerufen am 04.10.2024):

SWR-Recherchen enthüllen: Vor allem Wirtschaftsvertreter legen Baunormen fest: Lange wurde es hinter vorgehaltener Hand vermutet, jetzt liefert die SWR Story „Viele Normen – teure Wohnungen“ den Beleg: Die Arbeit beim Deutschen Institut für Normung (kurz: DIN) ist nicht transparent. Nutzt die Wirtschaft dieses undurchsichtige Vorgehen zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil?

Das Fragezeichen am Ende ist wohl rhetorisch. Ja, die Wirtschaft nutzt die DIN zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Das gibt das DIN, wie oben zitiert, sogar zu. Einige wenige Architekten und Baufachleute haben die Problematik schon vor über 30 Jahren erkannt. Doch man hielt uns für Spinner.

Wer wettert denn am stärksten gegen die Bürokratie? Die Wirtschaft. Sie spricht von Wettbewerbsverzerrung und Nachteile für den deutschen Standort, verlagert Produktionen ins Ausland. Heuchler! Wo sie ihren eigenen Vorteil sieht, treibt sie mit ihrem Instrument DIN die „Bürokratie“ – die sie so stark kritisiert – auf die Spitze. Das bringt mich schon auf die Palme. Das ist ein Skandal, der die Verbraucher Milliarden kostet. Der DIN-Skandal schädigt nachhaltig den Ruf der deutschen Wirtschaft. Der Dieselskandal ist Peanuts dagegen.

Unser Bundesjustizminister Buschmann (FDP) propagiert den Gebäudetyp E und sagt in einem Interview: Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass jede DIN-Norm eingehalten wird (aufgerufen am 04.10.2024). „Gebäudetyp E“ steht für „experimenteller und einfacher bauen“. In dem Interview erwähnt Buschmann: „Schon heute ist es grundsätzlich möglich, Abweichungen von Komfortstandards zu vereinbaren. Praktiziert wird das aber nur selten.“ Warum ist das so?

In der SWR-Dokumentation werden zwei Dinge deutlich:

  • Jede Abweichung muss mit dem Bauherrn vereinbart werden, und zwar rechtssicher! Das ist ein enormer zeitlicher und organisatorischer Aufwand, den sich kaum ein Architekt leisten kann.
  • Der Architekt in dem Film hat einige Beispiele aufgezeigt, dass man den Komfortstandard halten kann, wenn man unsinnige DIN-Normen nicht einhält.

Dann ist da auch noch die Rechtsprechung. Nach Werkvertragsrecht muss der Auftragnehmer (Planer, Unternehmer) die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (a.a.R.d.T.) einhalten.

Quelle: http://www.bosy-online.de/a-R-d-T.htm (aufgerufen am 04.10.2024)

In Wikipedia lese ich unter dem Stichwort Anerkannte Regeln der Technik (aufgerufen am 04.10.2024): „Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind jedoch nicht identisch mit den DIN-Normen oder ÖNORMen. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind DIN-Normen private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter und können deshalb die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht verbindlich bestimmen. Sie können diese zwar wiedergeben, aber auch dahinter zurückbleiben.“

Bei einem Rechtsstreit schaltet das Gericht Gutachter ein. Diese machen es sich einfach und verstecken sich hinter DIN-Normen. Daraus folgt, dass das nicht einhalten von DIN-Normen für die Bauschaffenden ein unkalkulierbares Risiko ist, das die wenigsten eingehen wollen.

Herr Buschmann als wirtschaftsnaher FDP Minister macht es sich einfach. Er versucht sich als der Verantwortung zu stehlen. Im o.g. Interview sagt er: „DIN-Normen werden allerdings weder vom Staat noch von der Politik gemacht.“ Das ist für mich der Knackpunkt. Das DIN darf schalten und walten, wie es will, damit seine Mitglieder „von finanziellen Vorteilen“ profitieren.

Also: Was tun?

  • Das Deutsche Institut für Normung muss aus den Fängen der Wirtschaft befreit werden. Es darf nicht privatwirtschaftlich organisiert sein und muss öffentlich-rechtlich kontrolliert werden.
  • Die Normenausschüsse müssen mit unabhängigen Fachleuten besetzt werden.
  • Deren erste Aufgabe muss sein, ALLE Normen zu durchforsten. Alle nicht öffentlich-rechtlich relevanten oder nicht sinnhafte Normen müssen zurückgezogen werden. Die restlichen müssen vereinfacht und auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Dafür brauchen wir eine funktionierende Verwaltung, Bürokratie im positiven Sinn.

Helft, dass dieser Skandal einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird. Die SWR-Dokumentation wurde fast 350.000 aufgerufen (Stand 04.10.2024). Das muss mehr werden. Teilt den Link. Schickt ihn an eure Bundestagsabgeordneten und an interessierte Kreise.

Hier die Links:
Teil 1: Die beiden Seiten der Bürokratie
Teil 3: Die beiden Seiten des Mammons

Teil 1: Die beiden Seiten der Bürokratie

Ich habe das Gefühl, dass Bürokratie äußerst negativ besetzt und alle Welt auf sie schimpft. Aber auch sie hat zwei Seiten!

Was ist eigentlich „Bürokratie“?

Sie „ist eine staatliche oder nicht-staatliche Verwaltung, die durch klare Hierarchien, Entscheidungen nach Gesetz und Vorschriften und geplantem Verwaltungshandeln innerhalb festgelegter Kompetenzen gekennzeichnet ist.“ (Quelle: Wikipedia, besucht am 28.08.2024)

Das ist doch eigentlich gut. Oder? Ohne Personalabteilung und Buchhaltung würde mein monatlicher Lohn nicht auf meinem Bankkonto gutgeschrieben werden.

Während meiner Zeit in Afrika habe ich unsere vielgescholtene deutsche Bürokratie schätzen gelernt. Ist es nicht wunderbar, dass man auf den Ämtern in den allermeisten Fällen freundlich und zuvorkommend behandelt wird. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich als Dienstleister und helfen durch den Dschungel der Vorschriften. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, hat man die Möglichkeit, selbst Nachforschungen anstellen, Hilfe zu holen und falls erforderlich Widerspruch einzulegen. Gut ist auch, dass die Bürger meistens – leider nicht immer – gleichbehandelt werden.

Unsere staatliche Bürokratie wacht über Gesetze, Verordnungen und Vorschriften. Diese regeln unser Zusammenleben.

Man stelle sich nur einmal vor, es gäbe keine Straßenverkehrsordnung. Auf unseren Straßen würde das blanke Chaos herrschen. Wenn alle fahren, wie sie wollen, kommt keiner voran.

Als Architekt habe ich mit Bebauungsplänen zu tun. Ich finde nicht alle Regelungen gut, aber ich mag mir nicht vorstellen, wie unsere Städte und Dörfer aussehen würden, wenn jeder so bauen dürfte, wie es ihm gefällt.

Die andere Seite der Medaille „Bürokratie“ kennen wir auch nur zugute.

Gott sei Dank gibt es für Gesamtdeutschland nur eine Straßenverkehrsordnung aber wir Architekten müssen uns in jedem Bundesland mit einer anderen Bauordnung rumschlagen.

Als Paradebeispiel für eine unsinnige Bürokratie muss an Stammtischen oft die berühmte europäische Bananenverordnung (EG) Nr. 2257/94 herhalten. „Laut der Verordnung mussten Bananen, die in die EU eingeführt wurden, sowie innerhalb der EU produzierte Bananen eine Länge von mindestens 14 cm und eine Dicke von mindestens 27 mm besitzen.“ Übrigens, wusstet ihr, dass die Verordnung bereits am 8. Januar 2012 außerkraftgetreten ist? Ich jedenfalls wusste es bis heute nicht. Ist doch eine gute Nachricht, dass auch einmal eine Verordnung abgeschafft wurde.

Ja, wir haben viel zu viele Gesetze, Verordnungen und Vorschriften. Und jeden Monat werden es mehr.

Ich frage mich, warum wir so viele Regelungen haben und warum es immer mehr werden?

Wenn ich in den Nachrichten verfolgt, wie neue Gesetze diskutiert werden, dann kommt ich zu dem Ergebnis, dass sie meist aus einer konkreten Situation entstanden sind, um eine negative Auswirkung zu vermeiden.

Beispiel Straßenverkehr: An einer Stelle im Ort gibt es einen Unfallschwerpunkt. Nach Beratungen mit verschiedenen Ämtern entschließt man sich, die Geschwindigkeit an dieser Stelle auf 30 Stundenkilometer zu begrenzen, um Unfälle zu vermeiden.

Ich kann mir auch vorstellen, dass viele Steuergesetze entstanden sind, weil einige immer ein Schlupfloch finden oder schneiden, weil sie Steuern „sparen“ wollen. Und meist sind es diejenigen mit einem fetten Bankkonto. Nun erlässt man neue Steuergesetze, um diese Steuerlöcher zu stopfen. Recht so, denke ich. Klar ist die jährliche Steuererklärung eine Spaßbremse. Doch wenn ich mich dann durchringe, sie zu machen, dann kann ich einige Regelungen durchaus nachvollziehen. Nach ein paar Stunden Arbeit habe ich es geschafft und freue mich auf die Steuerrückzahlung. Ich bezweifle sehr, dass man mit einer Steuererklärung auf einem Bierdeckel, Steuergerechtigkeit herstellen kann.

Oder ganz aktuell das sogenannte „Sicherheitspaket“, das nach dem Anschlag in Solingen diskutiert wird.

Und wir sind uns alle einig, dass wir momentan auf der anderen Seite vom Pferd herunterfallen. Immer mehr Gesetze, Verordnungen und Vorschriften, deren Einhaltung die Bürokratie überwachen muss, schnüren uns so sehr ein, dass wir uns wie Gulliver nicht mehr bewegen können.

Aus dem Kinderfilm: „Gullivers Reisen – Da kommt was Großes auf uns zu“

Ja wir brauchen „Entbürokratisierung“. Jeder Politiker führt dieses Schlagwort im Munde.

Wie „Entbürokratisierung“ dann konkret aussieht, musste ich als Architekt am eigenen Leib erfahren.

Früher mussten wir selbst für die kleinste Garage einen Bauantrag bei den Bauämtern eingereicht. Wenn der Bauherr dann die Genehmigung in den Händen hielt, war er sicher, dass alles in Ordnung ist und konnte beruhigt mit dem Bau beginnen.

Und heute: In einigen Fällen braucht der Bauherr keine Baugenehmigung mehr. Super! Oder? Der Haken ist, dass das Vieraugenprinzip fehlt und man die Verantwortung auf den Architekten ablädt. Denn die Vorschriften wurden ja nicht weniger im Gegenteil.  Der Architekt muss jetzt bescheinigen, dass ALLE Vorschriften und Nebenvorschriften und Durchführungsverordnungen und Nebenvorschriften der Durchführungsverordnungen und Ausführungsbestimmungen und Nebenvorschriften der Ausführungsbestimmungen und … und … und … eingehalten sind. Kann der Bauherr schneller bauen? Meist nicht, da irgendein Nachbar bestimmt dagegen klagt und dann wird der Bau erst einmal eingestellt. Bis dann die Bürokratie den Fall behandelt und entscheidet hat … Das dauert.

Anderes Beispiel auf meinem Berufsfeld. Früher haben die Bauämter unter anderem den Brandschutz der eingereichten Bauanträge geprüft und, wenn alles in Ordnung war, bescheinigt. Die bayerische Landesregierung – die immer noch auf die göttliche Eingebung wartet – hat dies „entbürokratisiert“. Heute müssen freischaffende Brandschutzsachverständige die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen bescheinigen. Auch sie wurden nicht vereinfacht, sondern im Gegenteil, sie wurden verschärft. Die Erfahrungen sind: Geht es schneller? Nein! Man muss erst einmal einen Sachverständigen finden und auch er muss das Gutachten bearbeiten. Wird es günstiger? Nein! Der Bauherr muss den Sachverständigen zahlen. Sind die Auflagen angemessener? Nein! Im Gegenteil. Der „freie“ Sachverständige haftet mit allem, was er hat. Und beim Brandschutz geht es im Falle eines Falles um Menschenleben und dann steht der Staatsanwalt vor der Tür. Der Brandschutzsachverständige verschärft die Auflagen, weil er kein Risiko eingehen will.

In den anderen Branchen sieht es nicht anders aus und die Leidtragenden der „Entbürokratisierung“ berichten ähnliches.

Auf YouTube macht zurzeit ein Video die Runde, in der eine Landrätin den vielsagenden Ausspruch getätigt hat: Entbürokratisierung – ich kann’s einfach nicht mehr hören.

Doch am Ende hat sie doch einen guten Rat: „Wir gucken uns alle Bestimmungen an und was brauchen wir wirklich?“

Ja, das wär’s doch!

Doch ich sehe schon die Lobbyverbände – die, nebenbei gesagt, am meisten gegen die Bürokratie wettern – Sturm laufen: „Aber wir brauchen diese Bestimmungen. Die haben doch einen Sinn. Sie schützen Leben.“ … und füllen die Kassen der Betriebe.

Also Kopf in den Sand stecken? Nein! Wir müssen es tun. Aber wer soll diese Entbürokratisierung in die Hand nehmen? Und dafür brauchen wir eine funktionierende, unabhängige und dem Gemeinwohl verpflichtete Bürokratie.

Sollte jetzt jemand Schnappatmung bekommen und meinen, dass die sogenannte „freie Marktwirtschaft“ das besser Regel wird, der lese Teil 2: Die beiden Seiten der DIN Normen

Hier der Link zun Teil 3: Die beiden Seiten des Mammons

Was haben Bürokratie, DIN-Normen und Mammon gemeinsam?

Dieses Thema schwirrt mir schon lange im Kopf rum. Jetzt versuche ich, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich benutze absichtlich das Verb „versuchen“, um zu verdeutlichen, dass ich mir nicht anmaße, die komplexe Materie umfassend zu erfassen und in einem Blog darstellen zu können.

Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass meine Gedanken dazu für einen Blogbeitrag zu lang sind, und beschlossen, daraus drei Teile zu machen:

„Alles hat zwei Seiten!“ Denke immer wieder an diese alte Weisheit, wenn du die kommenden Beiträge liest.

In diesem Zusammenhang fällt mir der Werbeslogan der Betonindustrie in den 80er Jahren ein: „Es kommt darauf an, was man daraus macht.“

Foyer Neues Museum Nürnberg
Architekt: Volker Staab

Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 24 (LU17)

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